Werner Pietsch über die BELPLASCA

Unter einer Stereokamera versteht man im allgemeinen ein Aufnahmegerät, das mit zwei im Augenabstand seitlich auseinanderstehenden Objektiven versehen ist. Während mit den bisher beschriebenen Stereovorsätzen wechselweise und in beliebiger Reihenfolge Bilder zwei- und dreidimensional mit ein und derselben Kamera aufgenommen werden können, dient die „echte" Stereokamera speziell und im allgemeinen ausschließlich der Aufnahme von Raumbildern.
Neben der Kleinstformat-Kamera des View-Master-Systems hat sich heute im Welthandel die Produktion von Stereokameras nahezu ausschließlich auf das genormte Kleinbildformat 41 x 101 mm konzentriert. Das hat seine guten Gründe! Man hatte die Wahl, die Fertigstellung eines Stereobildes und insbesondere die Halbbildmontage entweder dem Geschick, der Sorgfalt und der Ausdauer des einzelnen Amateurs zu überlassen, oder diese Aufgabe vollautomatisch den fotografischen Geräten und ihren Hilfsmitteln zu übertragen.

Um dem Amateur die oft mühsame Bearbeitung und raumrichtige Zusammenstellung der Halbbilder zu ersparen und damit die Popularität des Raumbildes steigern, wählte man den zweiten Weg und ausgehend von der Angleichung der Halbbildlage auf dem Film an die immer konstant bleibende Filmperforation mechanisierte man wie bei den Stereovorsätzen auch hier den gesamten Arbeitsgang von der Aufnahme bis zur Betrachtung. Diese Vollmechanisierung sollte heute bei allen Stereo-Kleinbildkameras des Welthandels durchgeführt werden. Unterschiede bestehen dann lediglich in bezug auf die äußere Form, den Filmtransport und die Größe der Halbbildformate. Die beste Übereinstimmung der Raumwiedergabe mit der Raumwahrnehmung beim freien Sehen erzielt man, wenn die Stereokamera mit zwei das Halbbildformat bei voller Objektivöffnung gerade noch auszeichnenden Weitwinkelobjektiven ausgerüstet ist. Um ein gutes Auflösungsvermögen der Optik zu gewährleisten und das Sichtbarwerden des Emulsionskornes bei der stereoskopischen Betrachtung mit den erforderlichen kurzbrennweitigen Linsen zu vermeiden, werden die Kleinbild-Stereokameras für das Format 41 x 101 mm im allgemeinen mit Objektiven der Brennweite 35 mm versehen. Bei der sonst stereoskopisch günstigen und auch dem kreisförmigen Bildkegel des Objektivs entsprechenden nahezu quadratischen Halbbildgröße 24 x 23 mm ist indessen die Aufnahmebrennweite 35 mm relativ lang und ergibt einen für stereoskopische Belange reichlich kleinen Bildwinkel. Wesentlich günstiger wirkt sich die 37,5-mm-Brennweite der BELPLASCA Bild 1 auf das Halbbildformat 24 x 30 mm aus und gestattet hier die Wiedergabe eines viel größeren Raumausschnittes.
Die Gründe für die starke Verbreitung, die das Stereo-Halbbildformat 24 x 23 mm in den westlichen Ländern (mit Ausnahme von Frankreich) gefunden hat. sind leicht zu erkennen. Der sich aus der Anpassung der Halbbildlage an die Filmperforation ergebende Schaltschritt läßt einen verhältnismäßig einfachen Transportmechanismus zu und es ist sehr verlockend, auf den Film einer 36er Patrone 29 Stereoaufnahmen zu bekommen. In Amerika wurde das frühzeitig erkannt, und bei der Konstruktion von Kleinbild-Stereokameras in anderen Ländern mußte, wenn die Herstellerfirma an dem Absatz in den USA interessiert war, darauf Rücksicht genommen werden. Die ausschließlich auf konstruktivem Gebiet liegenden Vorzüge wiegen aber den Nachteil des für das quadratische Format zu kleinen Bildwinkels nicht auf.
Der Filmtransport ist aus dem Bild 2 ersichtlich. Nach dem ersten großen Schaltschritt über 20 Perforationen haben die beiden Halbbilder 1 rechts und 1 links auf dem Filmstreifen einen Abstand von 64 mm. Gegenüber diesem Abstand, der dem der Kamerafenster entspricht, haben die Objektive den etwas kleineren Abstand von 63,2 mm, wodurch schon bei der Aufnahme zwangsläufig die für die stereoskopische Fensterrahmenwirkung richtige seitliche Halbbildbegrenzung erzielt wird. Der zweite kleine Schaltschritt über 7 Perforationen transportiert den Film so weit, daß das Halbbild 2 rechts der zweiten Aufnahme zwischen die beiden Halbbilder der ersten Aufnahme und das Halbbild 2 links neben das Halbbild 1 links zu liegen kommt. Für die dritte Aufnahme transportiert wieder ein großer Schaltschritt den Film in einer Länge von 20 Perforationslöchern über alle bisher belichteten Halbbilder hinweg, bis das Halbbild 3 rechts ganz dicht neben das Halbbild 2 links rückt.

Diese Halbbildanordnung auf dem Filmstreifen hat den Vorzug, daß man bei richtigem Einlegen des Films in die Kamera auf einer 36er Filmspule nicht 20, sondern 22 Halbbildpaare erhält. Bei dem Belplasca-System befindet sich in der Mitte der unteren Längskante des rechten Kamera-Bildfensters ein keilförmiger Ausschnitt, der sich nach erfolgter Belichtung bei der Entwicklung auf dem Film in der Randmitte des rechten Halbbildes als Dreieck abzeichnet. Mit Hilfe dieser Markierung läßt sich die genaue Obereinstimmung der Halbbildlage mit der Filmperforation leicht nachprüfen. Beim Einlegen der gegeneinander vertauschten Halbbilder in die zugehörigen Dia -Rähmchen, deren justierte Nocken genau in die der Halbbildlage entsprechenden Perforationslöcher eingreifen, schließt die Markierung jede Verwechslung aus und der Anfänger kann sich mühelos die Halbbilder ohne Vorkenntnisse mit wenigen Handgriffen zum fertigen Raumbild zusammenstellen.

Die Stereokamera „Belplasca" des VEB KAMERA- UND KINOWERKE DRESDEN, deren Transportmechanismus den ausführlich beschriebenen Belca-Schaltschritt gewährleistet, besitzt alle konstruktiven Merkmale einer modernen Kleinbild-Präzisionskamera, wie Schutz gegen Doppelbelichtungen durch Auslösesperre, synchronisierten Blitzanschluss usw. Die Belplasca ist eine gut durchkonstruierte, handliche und formenschöne Präzisions-Kleinbild-Stereokamera, die allen Anforderungen gerecht wird. In das stabile, mit einem dauerhaften Bezug überkleidete Gehäuse aus Leichtmetall sind zwei identische Tessare 1 :3,5/37,5 mm eingelassen, die die beiden in dem Stereo-Kleinbildformat 41 x 101 mm untergebrachten 24 x 29 mm großen Halbbilder auch bei voller Objektivöffnung gestochen scharf auszeichnen und deren Auflösungsvermögen ganz ausgezeichnet ist. Das Einstellen der Blende geschieht für beide Linsensysteme gemeinsam am linken Objektiv. Hat man auf dem Blendenring die Blendenzahl eingestellt, so läßt sich die zu erreichende Schärfentiefe auf dem Drehring des rechten Objektivs durch Gegenüberstellung von Blenden- und Entfernungszahl leicht ablesen. Bei Abblendung auf 1 :5,6 und Entfernungseinstellung auf 6,5 m erstreckt sich der Schärfenbereich bereits über die gesamte zulässige Verschmelzungszone einer stereoskopischen Normalaufnahme von 3 m bis unendlich. Zwei verdeckt angebrachte Präzisionsschneckengänge, die gemeinsam betätigt werden, garantieren die haargenaue Übereinstimmung der Einstellungen. Sehr wesentlich ist dabei, daß alle eingravierten Zahlen von oben ablesbar sind. Der Belca Stereo -Zentralverschluß, der eine genau gleichzeitige und gleichlange Belichtung der beiden Halbbilder gewährleistet, arbeitet erschütterungsfrei. Da die allseitig abgerundete Kamera sicher in den Händen liegt, gelingen bei ruhiger Körperhaltung noch Freihandaufnahmen mit 1/25 Sekunde. Von 1 bis 1/200 Sekunden sind alle üblichen Verschlußzeiten einstellbar. Wünschenswert wäre die Verbesserung des in die Kamera eingebauten, nach dem Newton System konstruierten Durchblicksuchers, der zwar einen durch eine Kurve in Verbindung mit dem Einstellring gesteuerten Parallaxenausgleich bis zu 1 m Aufnahmeentfernung, aber keinen Verkantungsanzeiger besitzt und in dem sich die bei Stereoaufnahmen erforderliche Festlegung der genauen Bildumrandung nicht mit Sicherheit vornehmen läßt. Da das Kameragehäuse aber einen Sucherschuh hat, kann man sich helfen, indem man zur Bildfixierung einen Präzisionssucher verwendet, in dessen reeller Bildebene ein Fadenkreuz sichtbar ist und in dem sich das Motiv allseitig scharf abgrenzen läßt (siehe Bild 3 ).
Neuartig ist die Belca-Filmführung. Bild 4 zeigt die außerordentlich zweckmäßige Anordnung von zwei Filmleitblechen am oberen und unteren Rande der Bildbühne in der Mitte zwischen den beiden Bildfenstern. Der unter den Leitblechen über die Bildfenster gleitende Film wird durch die beiden federnden Andruckplatten der Kamerarückwand in die Einstellebene gedrückt und liegt dort zuverlässig plan. Durch die in dem schmalen Schlitz des oberen Filmleitbleches sichtbaren in die Perforationsöffnungen eingreifenden Zähne wird die Meßwalze mitgenommen und die Lage des Films, die Steuerung des Filmtransportes und die automatische Arretierung am Ende jedes Schaltschrittes ist gesichert. Das Einstellen der Zähluhr, der weitere Filmtransport, das Rückspulen und Herausnahme der Filmpatrone erfolgt wie bei jeder anderen Kleinbildkamera und es ist hierbei nur die jeder Belplasca beiliegende Bedienungs-Anleitung zu beachten.
Das Anwendungsgebiet einer Stereokamera mit festem, dem Augenabstand angepaßten Objektivabstand bleibt auf den Aufnahmeraum von etwa 3 m Dingweite bis unendlich beschränkt. Das ganz besonders raumwirksame Arbeitsfeld der Stereo-Nahaufnahmen bleibt der Stereokamera verschlossen, wenn man nicht bei Beibehaltung der für die Entstehung des stereoskopischen Scheinfensters erforderlichen Halbbildbegrenzung eine Formatverkleinerung und eine damit verbundene Einengung des Bildfeldes in Kauf nehmen will. Damit würde der Stereoskopiker alle Vorzüge der Stereokamera gegenüber den strahlenteilenden Vorsätzen aufgeben und schließlich zu einem stereoskopisch ungünstigen Hochformat mit viel zu kleinem Bildwinkel gelangen
Vom VEB Optische Werke Jena wurde für die „Belplasca" das Keil-Vorsatzgerät des Bildes 5 entwickelt, das aus zwei identischen vergüteten sehr flachen Glaskeilen besteht und mit dem sich das Nahaufnahmegebiet des Dingraumes von 2,5 bis 1 m ohne Formatverkleinerung und Bildverlust erfassen laßt. Das Gerät ist klein, leicht, handlich und kann mit einem Griff fest auf die Objektivfassungen gesteckt werden. Die Lichtstärken der Objektive werden durch die Vorsatzkeile kaum verändert, so daß eine Belichtungsveränderung nicht erforderlich wird.

Aus STEREOFOTOGRAFIE von Werner Pietsch  (© Text überarbeitet von D. Schulte)